Die deutschen Medien gehen mit Nachrichten über Weltpolitik und -Ereignisse sehr sparsam um. Um sich zu informieren muss man regelmässig verschiedene internationale Medien gründlich durchforschen.
Dieses benötigt viel Zeit und Fremdsprachenkenntnisse.
Dieser Blog ist mein bescheidener Beitrag diese Lücke, so weit wie möglich, zu schliessen, in dem ich aus meiner Sicht interessante Nachrichten aus den internationalen Medien hier auf Deutsch weitergebe.
Brasilien nach dem Kalten Putsch: Wall Street kontrolliert erneut die brasilianischen Finanzen
6.09.2016 • 06:00 Uhr
Quelle: Reuters
Vetternwirtschaft und Korruption gehörten zu den Vorwürfen, die am Beginn des zweifelhaften Amtsenthebungsverfahrens gegen Brasiliens gewählte Präsidentin Dilma Rousseff standen. Diese scheinen nun tatsächlich wieder an der Staatsspitze zu grassieren – unter ihrem Nachfolger.
Ein mögliches Motiv für den Putsch in Brasilien wird öffentlich bisher wenig diskutiert: Dilma Rousseff hatte den ehemaligen Finanzminister Henrique Campos de Meirelles abgesetzt, einen Liebling der Finanzspekulanten. Mit dem parlamentarischen Putsch gelangt die Wall Street nun zurück an die Macht im größten Land Lateinamerikas.
von Maria Müller, Montevideo
Am 31. August stimmten 61 von 81 Senatoren für die definitive Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Im Wege einer getrennten Abstimmung verfehlte ein Antrag, sie für die Dauer von acht Jahren von allen politischen Ämtern auszuschließen, die erforderliche Mehrheit. Rousseff ist jedoch mit diesem Votum ihr Präsidentenamt los.
Am Tag zuvor hatte die Politikerin 14 Stunden lang alle nur denkbaren Fragen der Senatoren beantwortet. Sie befassten sich überwiegend mit dem Vorwurf einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Ein Delikt oder Verbrechen konnte ihr jedoch nicht nachgewiesen werden. Die zu Beginn des Amtsenthebungsverfahrens erhobenen Vorwürfe der Korruption wurden nicht einmal mehr erwähnt.
Stattdessen machten ihr die Abgeordneten nun völlig alltägliche Maßnahmen zum Vorwurf. So beanstandeten sie, dass Rousseff drei Gesetze erlassen habe, ohne dass die Senatsmehrheit zugestimmt hätte. Vorgänge dieser Art stellen in Lateinamerika jedoch Regierungsalltag dar.
Der ehemalige uruguayische Präsident Pepe Mujica kommentierte die Vorwürfe entsprechend mit den Worten:
Dann müssten wir alle in den Knast…“
Die Präsidentin konnte in ihren ausführlichen Antworten nachweisen, dass Brasilien gleich zu Beginn ihrer Amtszeit von einem drastischen Verfall der Rohstoff- und Erdölpreise getroffen wurde. Dieser entfaltete verheerende Konsequenzen für das exportabhängige Land. Die von ihr vorgeschlagenen – sehr unpopulären – Sparmaßnahmen orientierten sich nach ihren Worten an bereits früher praktizierten Konzepten zur Krisenbewältigung Brasiliens.
Diese Vorlagen wurden jedoch von der Mehrheit des Senats blockiert, der stattdessen Mehrausgaben durchsetzte. Nach Meinung Dilma Rousseffs hat dieses Vorgehen die Krise weiter verschärft und das geplante Szenario ihrer Absetzung vorbereitet. Sie warf der Opposition vor, angesichts der Notsituation Brasiliens taktischen politischen Interessen den Vorrang vor einer konzertierten Rettungsaktion gegeben zu haben.
In der Tat liegt der Verdacht des Handels aus taktischem Kalkül nahe. Unter Missachtung der Kompetenzen einer Interimsregierung diktierte der zu ihrem Nachfolger gekürte Michel Temer sofort ein großangelegtes strukturelles Sparprogramm, das weit über die Vorschläge von Dilma Rousseff hinausgeht. Man hatte also augenscheinlich eine politische Falle für die Präsidentin konstruiert, um sie als Sündenbock in die Wüste zu schicken und die öffentliche Meinung gegen sie aufzubringen.
Die Argumente Rousseffs zählten in der Anhörung jedoch nicht – sie sollte auf jeden Fall abgesetzt werden, punktum. Die Senatoren hatten es dabei überaus eilig. Sie missachteten sogar die von der Verfassung vorgeschriebenen prozessualen Regeln für Empeachment-Verfahren. Die Anwälte der nunmehrigen Ex-Präsidentin reichten deshalb auch am vergangenen Freitag eine Klage beim Obersten Gerichtshof Brasiliens ein.
Sie argumentieren, dass Dilma Rousseff in einem ordentlichen Gerichtsverfahren freigesprochen worden wäre. Nach Meinung des Generalstaatsanwalts der Republik, José Eduardo Cardozo, kann zudem in einem Präsidialsystem nur der Oberste Gerichtshof einen Präsidenten wegen des Vorwurfs eines Verbrechens verurteilen. Ein Empeachment ist jedoch nur angesichts von extremen Verbrechen vorgesehen, dessen sich ein Präsident schuldig gemacht habe, was im Falle von Dilma Rousseff auszuschließen ist.
Übrigens wird bereits seit Februar 2015 gegen den damaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha wegen des Verdachts der Korruption ermittelt. Rechtzeitig vor dem Tag seiner eigenen Amtsenthebung eröffnete er in dieser Funktion das Verfahren zum Empeachment gegen Dilma Rousseff. Cunha war damals der stärkste Motor der Kampagne gegen Rousseff, ehe er selbst auf Grund mutmaßlicher eigener Verwicklungen in den Korruptionsskandal rund um die halbstaatliche Ölgesellschaft Petrobras in die Bredouille geriet. Dieses Schicksal teilt er mit Interimspräsident Michel Temer, der im Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal in fünf Fällen der Korruption beschuldigt wird, Temer genießt jedoch weiterhin Immunität.
Drei seiner Minister wurden jedoch bereits im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen entlassen. Von den 61 Senatoren, die am vergangenen Dienstag für die Amtsenthebung der Präsidentin stimmten, stehen 41 entweder unter Korruptionsverdacht oder sind bereits angeklagt.
Ein Drittel der 367 Mitglieder des Abgeordnetenhauses teilt übrigens das Schicksal dieser Senatoren, darunter acht aus der Partei Dilma Rousseffs selbst, der Arbeiterpartei (PT). Solange Michel Temer regiert, können die Abgeordneten jedoch mit seinem Schutz rechnen. Der Putsch gegen die Präsidentin hat den Charakter einer kollektiven Vorwärtsverteidigung und seine Urheber spekulieren darauf, mithilfe ihrer parlamentarischen Immunität strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen.
Globale Finanzmacht gegen Rousseff
Allerdings stehen auch mächtige wirtschaftliche Interessen hinter dem Putsch. Brasiliens Wirtschaft wurde zum Opfer einer global angelegten, künstlich provozierten Krise der Rohstoffpreise, besonders des Ölpreises. Hintergrund derselben ist, dass sich die BRICS-Staaten weit vorgewagt haben mit ihrem Versuch, eine gemeinsame souveräne Entwicklung anzustreben.
Ihr Zukunftsprojekt einer multipolaren Weltwirtschaft unter Nutzung der eigenen Währungen rührte an den neuralgischen Punkt der US-Ökonomie und an der globalen Bedeutung des Dollars. So hatte Präsidentin Dilma Rousseff in ihrer Regierungszeit eine bedeutende Empfehlung ihres Vorgängers Luis Ignacio Lula da Silva ignoriert: Sie weigerte sich, die Kontrolle über die Währungspolitik Brasiliens weiterhin einem direkten Vertreter der Wall Street, einem US-amerikanischen Staatsbürger, zu überlassen.
Sein Name ist Henrique Campos de Meirelles. Lula hatte sich vorläufig mit der Macht arrangiert, die er nicht besiegen konnte. Dies machte er wohl auch nicht ganz freiwillig, denn er musste der Ernennung Campos de Meirelles‘ zum Chef der Zentralbank noch vor seinem Amtsantritt zustimmen.
Henrique Meirelles war zuvor Präsident und Geschäftsführer der Bank of Boston und von FLEET BOSTON gewesen, einer der größten Finanzinstitutionen der Wall Street und der zweitgrößte Kreditgeber in Brasilien. In ihrer ersten Amtszeit hatte Präsidentin Dilma Rousseff stattdessen den brasilianischen Finanzexperten Alexandre Antônio Tombini an die Spitze der Zentralbank gestellt.
Auch nach ihrer Wiederwahl ließ sie Meirelles außen vor.Das war nach Meinung vieler Beobachter in Brasilien ein entscheidender Anstoß für den Staatsstreich. Michel Temer ernannte die graue Eminenz der brasilianischen Finanzpolitik hingegen sofort nach seinem Amtsantritt wieder zum neuen Finanzminister.
Meirelles wiederum ließ sich nicht lange bitten und setzte zwei seiner engsten Freunde aus der Wall Street an die Spitze der Zentralbank, nämlich Ilan Goldfajn und Paulo Caffarelli, die nun wieder die Chefetage der Banco do Brasil kontrollieren. Ilan Goldfajn hatte zuvor in der Chefetage der Bank Itau gearbeitet, der größten Privatbank Brasiliens und in der brasilianischen Zentralbank. Er hat enge Verbindungen zum IWF, zur Weltbank und zur US-amerikanischen Zentralbank, der Fed.
Paulo Caffarelli war wiederum jahrzehntelang Mitglied des Direktoriums der Banco do Brasil und Exekutiv-Sekretär im Finanzministerium. Damit ist die Währungspolitik Brasiliens wieder unter der Kontrolle des altbekannten Banker-Klüngels. Unter Mireilles darf sich die Regierung nun auch nicht mehr in die Entscheidungen der Zentralbank einmischen.
Landesweite Proteste nach Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff
1.09.2016 • 15:53 Uhr
Quelle: Reuters
Tausende Demonstranten fordern in Brasilien nach der umstrittenen Amtsenthebung der Präsidentin die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse. Die Absetzung bezeichnen sie als de facto Putsch der korrupten brasilianischen Oligarchie.
Kissinger und die Folterer: Neue Geheimdokumente zur Verbindung mit argentinischer Militärdiktatur
11.08.2016 • 06:10 Uhr
Quelle: Reuters
Kriegsverbrecher unter sich? Henry Kissinger überreicht Hillary Clinton den „Distinguished Leadership Award“ des Atlantic Council in Washington, May 2013.
Anfang dieser Woche hat die US-amerikanische Regierung bisher geheime Dokumente über die argentinische Militärdiktatur von 1976 bis 1983 veröffentlicht. Die Dokumente enthüllen brisante Details über die Verbindungen des ehemaligen nationalen US-Sicherheitsberaters und US-Außenministers Henry Kissinger zur blutigsten Militärjunta Lateinamerikas.
Bis zu 30.000 Todesopfer, darunter etwa 100 Deutsche und Deutschstämmige, forderte die blutigste Militärdiktatur der Geschichte Lateinamerikas. Washington unterstütze die Putschisten tatkräftig, da sie vor allem gegen linke Bewegungen vorgingen. Die Terrorkampagne der Junta wird auch als „Schmutziger Krieg“ bezeichnet.
Menschenrechtsorganisationen wie die Madres de Plaza de Mayo, ein Zusammenschluss argentinischer Mütter, deren Kinder während des Schmutzigen Krieges „verschwanden“, hatten immer wieder die Freigabe der relevanten Dokumente gefordert.
Auf Anfrage Argentiniens veröffentlichte die Obama-Regierung am Montag nun mehr als 1.000 Seiten bisher geheim gehaltener Dokumente. Washington werde weitere Dokumente freigeben. Das für die Freigabe zuständige „Office of the Director of National Intelligence“ teilte mit, dass die freigegebenen Akten Aufschluss über „die Politik der Carter-Regierung und die Rolle, die Menschenrechtsfragen in den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Argentinien spielten, geben.
Die Vereinigten Staaten hatten seit 2002 bereits mehr als 4.000 Dokumente zum Schmutzigen Krieg veröffentlicht. Aus diesen und anderen Quellen geht hervor, dass die US-Regierung das Vorgehen der Militärdiktatur unterstützte. Im Oktober 1976 versicherte Kissinger dem argentinischen Außenminister Admiral César Augusto Guzzetti:
„Wir möchten, dass Sie Erfolg haben. […] Je schneller Sie Erfolg haben, desto besser.“
Die damalige US-Administration wollte, dass die Putschisten rasch ihre Terrorkampagne abarbeiten, da die Menschenrechtslage in Argentinien zunehmen kritisiert wurde. Aus einem Bericht des damaligen US-Botschafters in Argentinien geht hervor, dass Kissinger von den Putschisten eine möglichst schnelle Lösung des „Terror-Problems“ erwartete.
Das Nachrichtenportal Amerika21 berichtet, dass die neuveröffentlichten Dokumente unter anderem Protokolle zwischen dem Chef der argentinischen Junta, General Jorge Rafael Videla, und dem damaligen US-Präsidenten James Carter beinhalten.
Im November 1977 schickte Carter über die US-Botschaft in Buenos Aires folgenden Brief an Militärdiktator Videla:
Sehr geehrter Herr Präsident,
[…] Wir beide sind uns bewusst, dass Argentinien oft schwerwiegende Menschenrechtsverstoße vorgeworfen wird. Sie waren durchaus richtig, als Sie sagten, dass Terroristen mit ihrer Propaganda versucht haben, Argentinien zu isolieren. Ich bin mir aber sicher, dass solche Propaganda im Gerichtshof der Weltöffentlichkeit ihre Wirkung verlieren wird, da Ihre Regierung Fortschritt auf dem Gebiet der Menschenrechte darlegt. […] Ich möchte Ihnen und Frau Videla für die Einladung zu der Hochzeit Ihres Sohnes sehr danken, und bedauere, dass wir nicht kommen konnten […].“
Aus den Dokumenten geht laut Amerika21 ebenfalls hervor, dass Kissinger auch nach seinem Ausscheiden aus dem Außenministerium nach Argentinien reiste. Kissinger habe dort Privatgespräche mit Videla geführt:
„Laut Bericht habe Kissinger im Anschluss ‚Argentiniens Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus hoch gelobt, gleichzeitig aber geäußert, diese Taktiken hätten im ‚heutigen Argentinien keinen Platz mehr.“
Kissingers „wiederholtes Lob für die argentinischen Aktionen zur ‚Ausmerzung des Terrorismus‘“ habe dem damaligen US-Botschafter Unmut bereitet:
„Die Argentinier könnten dies als ‚Rechtfertigung‘ für einen härteren Menschenrechtskurs verstehen.“
Henry Alfred Kissinger, im Jahr 1923 in Fürth als Heinz Alfred Kissinger geboren, war von 1969 bis 1973 Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Richard Nixon und von 1973 bis 1977 Außenminister der USA. Seit 1998 ist Kissinger Ehrenbürger von Fürth. Kritiker werfen ihm Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen vor. Bisherige Versuche, juristisch gegen ihn vorzugehen, scheiterten.
Geheimdokument enthüllt Destablisierungs-Strategie der CIA in Ecuador
17.06.2016 • 06:00 Uhr
Quelle: Reuters
Ein an die Öffentlichkeit gelangtes Geheimdokument zeigt die jahrzehntelange Tätigkeit des US-Auslandsgeheimdienstes CIA in Ecuador, dessen Einfluss auf Medien und Militär, sowie die teilweise dreisten Versuche, die links-progressive Regierung von Rafael Correa zu destabilisieren.
Der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSUR hat in seinem Programm „Es Noticia“ Dokumente gezeigt, die das Agieren des US-Auslandsgeheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) in Ecuador offen legen. Hinzu kommen außerdem neue Beweise, die ecuadorianische Medien veröffentlicht haben. Militärs, Politiker und Medien sind in die Aktivitäten verwickelt, die das schiere Ausmaß der US-amerikanischen Einmischung in Lateinamerika belegen.
Ecuadors Präsident Rafael Correa hat die TeleSUR-Enthüllung einen vorzüglichen Bericht genannt. So etwas veröffentliche die kommerziell arbeitende Presse nicht.
Die Teppichverkäuferin
Sania Elias Zaitoum El Mayek war eine libanesische Staatsbürgerin, bis sie in den 1980er Jahren nach Ecuador zog. Ausgestattet mit falschen Personaldokumenten hieß sie von nun an Leila Hadad Pérez, geboren am 13. Februar 1950 in der ecuadorianischen Stadt Otavalo in der Provinz Imbabura. Nach Angaben der Zeitung El Telégrafo bestand ihre Mission als CIA-Chefin im Andenland darin, die Geheimdienste der Polizei und der Streitkräfte zu „kontrollieren und zu leiten“. Die in der CIA unter dem Decknamen „Swat“ agierende Agentin eröffnete in Quito ein Schönheitsstudio und später einen Teppichladen, die ihr als Tarnidentität dienten. In ihrem Laden traf sie sich mit hochrangigen Beamten und Militärs.
Erste Probleme bekam die CIA-Agentin erst im Jahr 2002, als einer der Inhaber der Rüstungsfirma Prodefensa sie der Ausweisfälschung bezichtigte. Obwohl der Fall schon verjährt war, leitete das Nachrichtendienstliche Direktorat der Polizei (DGI) im Herbst 2004 dennoch eine Untersuchung ein. Das löste einen Konflikt zwischen dem DGI und der Einheit für Spezialuntersuchungen (UIES) aus, da Leila Hadad Pérez zumindest zehn Agenten in dieser Behörde hatte.
Ein pensionierter DGI-Offizier, der anonym bleiben wollte, erklärte gegenüber El Telégrafo, dass die „Swat“ einen großen Einfluss auf die Polizei ausgeübt habe, indem sie die Ernennung von UIES-Angehörigen kontrolliert und die Einheit mit CIA-Geldern finanziert habe.
2007 tauchte Leila Hadads Stern unter, und die publik gemachten Dokumente erklären das Warum: Der damalige Polizeichef, Bolívar Cisneros, hatte wenig Verständnis für die ambitionierten Ziele der CIA-Agentin, heißt es in den Dokumenten:
„Leila hatte kein reales Bild vom General Cisneros, der in seinem Anti-Drogen-Handeln stark unterstützt wurde. Dadurch verkannte sie, dass der Polizeichef sich allmählich zur bestens informierten Hauptperson der Struktur entwickelte und die Absetzung der Frau herbeiführte. Cisneros stellte den Haftbefehl gegen Leila aus, als sie einige Monate zuvor in die USA abgereist war.“
Wegen all der internen Konflikte, die die „Swat“ während ihrer Präsenz im Land entfacht hatte, zwang die operative Gruppe die Frau, Ecuador zu verlassen. Damit die CIA-Agenten nicht aufflogen, musste das Teppichgeschäft geschlossen und die Kontakte zu befreundeten Militärs und Polizisten vorübergehend abgebrochen werden.
Die CIA lässt sich nicht aufhalten
Die Notwendigkeit, einen der wichtigsten Agenten zurückzuziehen, ließ die CIA in ihrem Treiben nicht aufhalten. Mario Pazmiño, damals Direktor des Militärischen Aufklärungsdienstes der Republik Ecuador, fuhr fort, seine Berichte nach Miami zu schicken. Dem veröffentlichten Dokument zufolge bestand die Aufgabe von Pazmiño darin, in den Reihen der Streitkräfte Opposition zu schaffen und mit der US-Botschaft kollaborierende Elemente in den Streitkräften, zivilen Behörden (die Antikorruptionskommission, die Staatsanwaltschaft usw.) und sogar in der Presse zu unterstützen.
Im von TeleSUR veröffentlichten Dokument schlägt die ecuadorianische CIA-Gruppe vor, eine „militärische, soziale und politische Krise“ hervorzurufen, um „das gleiche Szenario wie in Venezuela“ zu herbeizuführen. Im Text wird deutlich ausgedrückt, dass „eine Krise im Militärbereich die Regierung in Schwierigkeiten bringen würde“.
Am 1. März 2008 flogen die kolumbianischen Luftstreitkräfte unter Anleitung der USA einen völkerrechtlich illegalen Angriff gegen eine FARC-Zelle in Angostura in der ecuadorianischen Provinz Sucumbíos. Dem Bombenangriff fiel unter anderem der Guerillaführer Raúl Reyes zum Opfer. Die Operation Fénix provozierte einen diplomatischen Eklat zwischen beiden Staaten. Gleichzeitig wurde der Staatsführung in Quito klar, dass die einheimischen Geheimdienste von CIA-Kollaborateuren unterwandert waren. Als Aufklärungschef wurde Mario Pazmiño zur Last gelegt, die Informationen über den Angriff nicht rechtzeitig übermittelt zu haben. Er wurde von seinem Amt entbunden.
Correa als „Gefahr“ und der Fliegerhorst Manta
Als Rafael Correa sich im Jahr 2007 um das Präsidentenamt bewarb, schrieb die EU-Botschafterin im Andenland, Linda Jewell, in einem Telegramm, das später von WikiLeaks veröffentlicht werden sollte, Folgendes:
„Obwohl keiner der Kandidaten die glücklichen Tage der bilateralen Beziehungen zurückbringen wird, würde keiner der wichtigsten Herausforderer die Interessen der USA so gründlich schädigen, wie Correa.“
Ferner fügte die US-Botschafterin hinzu:
„Wir haben einige Hebel, um die ecuadorianische Wählerschaft zu beeinflussen. Die mediale Elite Ecuadors ist äußerst empfindlich für die innere Einmischung. Wir haben übrigens unsere Politiker und Kontaktpersonen in den Wirtschaftskreisen privat vor der Gefahr gewarnt, die Correa für die Zukunft Ecuadors darstellt.“
Zudem wird im enthüllten Dokument in Bezug auf die Medien im Lande argumentiert, dass sich die Kooperation mit dem Fernsehsender Ecuavisa über Carlos Vera leicht umsetzen lasse. Darüber hinaus habe die Zeitung Expreso die „Idee, die Regierung mit einer Krise ins Chaos zu stürzen“, verstanden.
Eine der wichtigsten Besorgnisse der USA war, dass sich die „Chávez-Achse“ verstärken würde, und dass der neue Präsident Ecuadors den US-Militärs den Fliegerhorst Manta wegnehmen würde, was 2009 tatsächlich geschah. Der Verlust des Stützpunktes habe die Aufklärungstätigkeit geschwächt, steht im Bericht.
Deswegen versuchte die CIA die neue Staatsführung zu destabilisieren, nachdem Correa das Präsidentenamt angetreten und die sogenannte Staatsbürgerliche Revolution eingeleitet hatte.
Die Medien-Kampagne gegen Correa
Der ecuadorianische Journalist und Schriftsteller, Jaime Galarza, teilte gegenüber TeleSUR mit, dass die USA in der Region nur ein Ziel verfolgten – und zwar die sozialen Errungenschaften der progressiven Regierungen zu durchkreuzen und ihre Herrschaft auf dem Kontinent zurückzuerobern.
„Wir werden ständig in sozialen Netzwerken von den NGOs bombardiert, die die Bevölkerung mit einer Hetzkampagne gewissermaßen verwirren“, erklärte Jaime Galarza.
Dasselbe tue man nicht nur in Ecuador, sondern auch in Bolivien und Venezuela.
Empire Files: School of the Americas – Die US-Kaderschmiede für Diktatoren und Todesschwadrone
5.05.2016 • 10:00 Uhr
Auch heute noch werden Elite-Kämpfer in Fort Benning ausgebildet
Nicht ohne Grund trägt die „School of the Americas“ der US-Basis Fort Benning den Beinamen „Schule der Mörder“. An der Militärakademie wurden in den vergangenen Jahrzehnten gezielt Diktatoren und Kommandeure von Todesschwadronen ausgebildet, die später in Lateinamerika ihr blutiges Handwerk verrichteten. Abby Martin untersucht in ihren „Empire Files“ die berüchtigte Ausbildungsstätte und spricht mit Kritikern der Einrichtung. RT präsentiert die Dokumentation erstmals in deutscher Übersetzung.
– Von 1945 bis heute haben in Lateinamerika über 20 Militärputsche und ausländische Interventionen stattgefunden, zumeist unter US-Regie. Bei diesen Verbrechen gegen die Völker Lateinamerikas wurden über eine Million Menschen getötet. An den Folgen dieser Putsche und Militärinterventionen leidet Lateinamerika noch heute.
US-Soldaten während der Invasion der Karibikinsel Grenada 1983- Quelle: PETER CARRETTE
– Die Blutspur der US-Militärinterventionen und Putsche überzog nach 1945 die ganze Region. Es begann mit dem Putsch von General Rojas Pinilla 1953 in Kolumbien und dem Sturz von Präsident Jacobo Árbenz 1954 in Guatemala und endet bisher mit dem Putsch gegen Präsident Fernando Lugo am 22. Juni 2012 in Paraguay. In diesem Zeitraum haben in Lateinamerika über 20 Militärputsche und ausländische Interventionen stattgefunden.
– Bei diesen Verbrechen gegen die Völker Lateinamerikas wurden über eine Million Menschen getötet. Bürgerkriege und reaktionärer Staatsterror haben mehrere Millionen Lateinamerikaner zu Kriegsflüchtlingen gemacht oder ins Exil getrieben.
– Die Aufstellung über Opfer der Militärinterventionen und Putsche in Lateinamerika basiert hinsichtlich der Verifizierbarkeit der Zahlen auf unterschiedlichen Quellen und Erfassungssystematiken verschiedener Länder.
– Chronologie der Militärinterventionen und Putsche nach 1945:
Kolumbien: 1953 (Putsch durch General Rojas Pinilla) bis heute4: 6.800.000 Kriegsopfer, davon 950.000 Morde, Entführungen, Folterungen und Vergewaltigungen
Paraguay: Mai 1954: Putsch durch General A. Stroessner: 50.000 Tote; bei 19.882 Verhaftungen, 18.772 Gefolterte, 30.000 Verschwundene, 400.000 Vertriebene
Guatemala: 1954 (Sturz der Regierung Jacobo Árbenz), bis 19966: 200.000 Tote, 45.000 Verschwundene, 1.000.000 Vertriebene
Kuba: April 1961 (Invasion Schweinebucht) bis heute7: 3.700 Tote, 104 Milliarden US-Dollar Embargo-Verluste
Brasilien: März 1964 (Putsch unter General Castelli Branco) bis 1985:8 3.000 Tote, 200 Verschwundene, 20.000 Gefolterte
Bolivien: Putsch 1980:500 Tote, 4.000 Verhaftete
Dominikanische Republik: April 1965 (Militärintervention der USA)10: 4.000 Tote
Uruguay: 1973 (Putsch) bis 198511 700 Tote, 164 Verschwundene
Chile: 11. September 1973 (Putsch) bis 199012: 2.100 Tote, 1.100 Verschwundene, 200.000 Verhaftete, 100.000 Gefolterte, 400.000 Exilierte
Argentinien: 24. März 1976 (Putsch) bis 198213: 30.000 Tote und Verschwundene
El Salvador: 15. Oktober 1979 (Putsch) bis 199214: 75.000 Tote
Nicaragua: Somoza- Diktatur und Unterstützung der Contras15: 100.000 Tote, 350.000 Kriegsflüchtlinge
Peru: 1980 – 2000 Aufstandsbekämpfung gegen den „Leuchtenden Pfad“16:60.000 Tote, 7000 Verschwundene, 1.000.000 Vertriebene, 10.000 politische Gefangene
Grenada: 1983: Militärintervention der USA: 94 Tote, 511 Verwundete
Panama: 1989: Militärintervention der USA: 3 000 Tote
Venezuela: April 2002: Putsch gegen Präsident Hugo Chávez19: mehr als 100 Tote
Bolivien: September 2008: Putschversuch der Separatisten in Santa Cruz, keine Zahlen bekannt
Honduras: Juni 2009: Putsch gegen Präsident Zelaya, 100 Tote
Ecuador: 30. September 2010: versuchter Staatsstreich gegen Präsident Correa20: fünf Tote, 30 Verletzte,
Paraguay: 2. Juni 2012, Staatsstreich gegen Präsident Bischof Fernando Lugo, keine Zahlen bekannt
Bewertungen
– Der Bürgerkrieg in Kolumbien dauert über 60 Jahre. Im Juni 1953 stürzte General Rojas Pinilla mit der Losung „Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit“ den 1949 an die Regierung gekommen Reaktionär Laureano Gomez, der als Anhänger Hitlers galt. Pinilla versprach, den Bürgerkrieg zu beenden. Es war aber nur eine neue Etappe der Gewalt. Der Krieg in diesem Land ist die schlimmste menschliche Katastrophe Lateinamerikas seit den Befreiungskriegen vor 200 Jahren. Seit 1953 wurden über 6,5 Millionen Kolumbianer zu Kriegsflüchtlingen. Mehr als eine halbe Million Kolumbianer passierten bis Januar 2011 ohne Dokumentation die Grenze nach Ecuador.
– Die Härte der militärischen Auseinandersetzungen zeigt sich auch darin, dass die Guerillabewegung Farc allein im Jahr 2011 über 2.100 Militäraktionen unternahm. Die Regierungsseite gab an, von 2008 bis 2011 über 7.300 Kämpfer der FARC getötet oder verwundet zu haben. Bei den grausamen inneren Auseinandersetzungen in Kolumbien kamen von 2002 bis 2007 mindestens 14.000 Zivilisten ums Leben. Am 15. Juni 2012 bestätigte die Staatsanwaltschaft Kolumbiens die Existenz von 180 Massengräbern, die von den faschistoiden Paramilitärs in den Jahren 1995 und 1996 in den nordöstlichen Regionen Choco und Antioquia angelegt worden waren23. Der volle Umfang der nationalen Tragödie wird sich erst nach Friedensschluss zeigen.
– Bei Paraguay wird eine Methode der Militärmachthaber besonders deutlich: Folter während der Verhöre. Von 19.882 offiziell Verhafteten wurden 18.772, also fast 95 Prozent gefoltert.
– Am Beispiel von Guatemala wird erkennbar, wie schwer und kompliziert es ist, diese über mehrere Jahrzehnte dauernden Bürgerkriege in Lateinamerika zu bewerten. „Wahrheitskommissionen“ wie in Guatemala 1999 unter Christian Tomuschat haben eher zur Vertuschung, bestenfalls zur teilweisen Dokumentation der Verbrechen der Regime beigetragen. Die Entdeckung des Geheimarchivs aus Zeiten der Diktatur „La Isla“ inmitten von Guatemala-Stadt im Jahre 2005 hat gezeigt, dass bekannte Zahlen schnell von einer noch grausameren Wirklichkeit eingeholt werden können. Mit der Wahl von Ex-General Otto Pérez Molina zum Staatspräsidenten im September 2011 übernahm ein „Aufstands-Bekämpfer“, ein Täter, das oberste Amt in Guatemala.
– Kuba befindet sich seit 1961 im „Fadenkreuz der USA“26. Nach der Niederlage in der Schweinebucht 1961 verhängte Präsident John F. Kennedy im Februar 1962 eine Wirtschaftsblockade gegen Kuba. Die USA, die Nato und auch die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland investierten Milliarden US-Dollar in Programme zum Sturz des politischen Systems in Kuba. Die den Nato-Richtlinien untergeordnete Lateinamerikapolitik der konservativen Bundesregierung strebte aktiv einen Regime-Wechsel in Kuba an27. Die Adenauer-Stiftung organisierte unter dem Titel „Transitions – Szenarien für Kuba“ Treffen extremistischer Gruppen von Castro-Gegnern aus Kuba und Miami28. Mit der Wiedereinsetzung von Steinmeier im Dezember 2013 in das frühere Amt ist eine Fortsetzung der bisherigen Kuba-Politik zu erwarten.
– In Bolivien lässt sich an den Putschen deutlich die direkte Steuerung einheimischer Militärs durch die USA ablesen, die in der Regel durch die als Militärattachés getarnte CIA-Residenten erfolgte. Präsident Víctor Paz Estenssoro hatte 1964 eine „Todsünde“ begangen: Er hatte sich der amerikanischen Kuba-Politik entgegengestellt. 1962 stimmte Bolivien gegen den Ausschluss Kubas aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und 1964 gegen die Blockade.
– Als Paz Estenssoro versuchte, Wirtschaftshilfe und Investitionen aus der Sowjetunion zu erhalten, wurde sein Sturz beschlossen. US-Oberst Edward Fox ließ General René Barrientos den Putsch starten. Im Jahre 1967 half dafür die Marineinfanterie der USA bei der Suche und Ermordung von Ernesto Che Guevara. Es folgten weitere Umstürze innerhalb der Putschregime, bis im Januar 1971 Oberst Hugo Banzer an die Macht kam und bis 1978 regierte. Nach Banzer entwickelte sich unter der Präsidentin Lydia Geiler eine bürgerliche Demokratie. Schon im Juni 1980 erlitt Bolivien den nächsten Putsch durch General García Meza. Einen besonders grausamen Beitrag bei Verhören, Folterungen außergerichtlichen Tötungen spielten hunderte Paramilitärs, „Novios de la muerte“, die von Altnazi Klaus Barbie ausgebildet worden waren. Bei dem Meza- Putsch wurden laut Menschenrechtsorganisationen 500 Menschen getötet und über 4.000 verhaftet. Garcia Meza und Ex-Innenminister Luis Arze Gómez wurden später rechtskräftig verurteilt, ihre Helfer nicht.
– In der Dominikanischen Republik kam nach mehreren Aufständen gegen die Trujillo-Diktatur der progressive Präsident Juan Bosch im April 1964 an die Macht und wurde bereits im September 1964 wieder gestürzt. Mit einer Invasionsarmee von 40.000 US-Marines wurde die spätere Diktatur von Joaquin Balaguer gesichert. Während der Kämpfe wurden 4.000 Dominikaner getötet. Darunter befanden sich viele Frauen und Kinder.
– Die Anzahl der Opfer in Uruguay konnten bis heute nicht definitiv bestätigt werden. Hier spielen die „Todesflüge“ wahrscheinlich eine große Rolle. Auffallend dabei ist, dass in Argentinien (120 Fälle) mehr Uruguayer entführt wurden als in Uruguay selbst (60 Fälle). Das ist auch ein Ergebnis der verbrecherischen „Operation Condor“. Die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in Uruguay scheiterte bisher an den noch gültigen Amnestiegesetzen. Weniger als ein Dutzend Militärs wurden verurteilt.
– Mit dem Putsch in Chile am 11. September 1973 begann die Diktatur des Generals Augusto Pinochet, die bis zum 11. März 1990 dauerte29. Unter den 3.000 Toten befanden sich hunderte Militärs, die verfassungstreu zu Präsident Salvador Allende standen. Darunter unbekannte Soldaten aller Dienstgrade bis hin zu Generälen wie René Schneider (getötet am 25.Oktober 1970), Carlos Pratts (getötet am 30. September 1974) oder Alberto Bachelet (getötet am 12. März 1974), dem Vater der derzeitigen Präsidentin Chiles. Nur wenige Militärs, überwiegend ehemalige Mitarbeiter des Geheimdienstes, wurden vor Gericht zur Verantwortung gezogen. Chile lebt in der Postdiktatur mit der Verfassung von Pinochet. Mit dem Sieg der Kandidatin der „Nueva Mayoría“(Neue Mehrheit), Michelle Bachelet, am 15. Dezember 2013, besteht die Möglichkeit, die Aufarbeitung der Diktatur entscheidend voranzubringen, wenn es gelingt, die Verfassung zu ändern.
– Der Militärputsch von General Videla, Admiral Massera und General Agosti am 24. März 1976 in Argentinien etablierte einen Staatsterror, der über 30.000 Todesopfer zur Folge hatte. Das betraf auch viele politische Flüchtling aus Uruguay, Chile, Bolivien und Paraguay, die im Rahmen der „Operation Condor“ auf dem Boden Argentiniens entführt, gefoltert oder getötet wurden. Mit der Regierung von Präsident Néstor Kirchner im Jahre 2003 und der Aufhebung der Amnestiegesetze durch das Verfassungsgericht begann in Argentinien die Strafverfolgung der Gewaltverbrechen während der Militärdiktatur in einer neuen Qualität. Über 1.000 Militärs mussten sich vor Gericht verantworten. Die Rolle von großen Unternehmen, auch deutscher wie Daimler Benz während der argentinischen Militärdiktatur ist noch juristisch aufzuarbeiten.
– Befasst man sich mit Nicaragua, muss man bis 1925 zurückgehen. Von 1926 bis 1933 kämpfte „El pequeño ejército loco“ (Das kleine verrückte Heer) unter Augusto Sandino gegen die Eindringlinge aus den USA. Dieser heroische Befreiungskrieg forderte 40.000 Menschenleben, in der Mehrzahl Bauern. Die Bezeichnung für die Patrioten des Heeres von Sandino habe ich von dem Argentinier Gregorio Selzer übernommen30. Die Somoza-Diktatur hinterließ 50.000 Tote. Das Land wurde durch offene Kriegshandlungen, Bombardierungen und Beschuss durch Flugzeuge „unbekannter Nationalität“ oder verminte Häfen, finanzielle Blockade, Sabotage und Zerstörung von Infrastruktur, Zuckerfabriken, Lebensmitteldepots und Kaffeefeldern verwüstet. 1986 verklagte die sandinistische Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die USA. Diese wurden zu 1,7 Milliarden US-Dollar Schadenersatz verurteilt. Die US-Administration erkannte das Urteil nicht an.
– Bei El Salvador muss man in die 30er Jahre zurückgehen. Im Jahre 1932 erhoben sich Tausende Bauern gegen ihre inländischen und ausländischen Ausbeuter. Farabundo Martí kehrte aus dem Exil zurück. Bei der Niederschlagung des Aufstands wurden 30.000 Bauern getötet („La Matanza“ – Das Gemetzel). Farabundo Martí wurde standrechtlich erschossen. In dem Bürgerkrieg von 1979 bis 1992 wurden weitere 75.000 Menschen getötet.
– Am Beispiel der kleinen Insel Grenada (1/3 der Fläche der Insel Rügen) manifestierte im Oktober 1983 die Großmacht USA ihre hysterische Angstkampagne vor dem „Internationalen Kommunismus“. Am 25. Oktober besetzten 7.600 US-Soldaten unter Befehl von General Norman Schwarzkopf die Insel mit dem Ziel, ein „zweites Kuba“ zu verhindern. An der Invasionsarmee waren auch symbolische Kontingente einiger Karibikstaaten beteiligt. Unter den fast Hundert Todesopfern waren 25 Kubaner, weitere 59 wurden verwundet. Die amerikanische Invasionsarmee hatte 19 Tote und 116 Verwundete, hauptsächlich Opfer der Flugzeugabstürze außerhalb von Kampfhandlungen.
– Nach der „Unabhängigkeit“ von Panama im Jahre 1903 sind die USA dann 1989 zum siebten Mal in dieses Land eingefallen. Die Supermacht siegte in wenigen Stunden über eine der kleinsten Armeen Lateinamerikas. Über 3.000 Menschen wurden getötet. Bei der Panama-Invasion wurden 23 Amerikaner getötet, 324 verwundet.
– Wir befassen uns heute mit dem Thema „Aufarbeitung der Militärdiktaturen“ deshalb, weil einige nationale Konflikte immer noch militärisch weitergeführt werden. Das Töten, Vertreiben und Unterdrücken ist noch nicht beendet worden. Und nach Honduras 2009, Bolivien 2010, Ecuador 2011 und Paraguay 2012 wird deutlich, dass Putsche und Militärintervention von den USA trotz offensichtlichen Machtverlustes in Lateinamerika weiter als wirksames Instrument zur Durchsetzung ihres Einflusses und ihrer Interessen angesehen werden.
– Andreas von Bülow, Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung der BRD von 1976 bis 1980, bewertete den „CIA-Putsch in Guatemala und Chile als Schablone für den Umsturz in Lateinamerika in den nächsten Jahrzehnten“. Das kulminierte in folgender Maxime einiger US-Administrationen: Mit dem „Faschismus gegen den Kommunismus“. Die USA wurden zur Hauptquelle des Terrors in Lateinamerika.
– Staatsstreiche auf diesem Kontinent wurden in der Regel durch Bündnisse von Militärs mit der einheimischen Oligarchie, Großgrundbesitzern und dem Großbürgertum möglich. Wie schon 1933 einige Teile der deutschen Gesellschaft es in ihrem Antikommunismus erlaubt hatten, dass der deutsche Faschismus an die Macht kam und zum 2. Weltkrieg und zum Holocaust führte, erlaubten es immer wieder Teile der Gesellschaft mehrerer Staaten Lateinamerikas im Rahmen der Ost-West-Auseinandersetzung den Militärs und Sicherheitsapparaten, „schmutzige Kriege“ gegen das eigene Volk zu führen. Das geschah in der Regel im „Kampf gegen den Kommunismus“ und um ein „zweites Kuba“ zu verhindern.
– Nach Ruth Fuchs ist „die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen“ das zentrale Problem und Indikator beim Übergang zur Demokratie33. Nur wenn die Täter entmachtet wurden, die von den Tätern erlassenen Amnestiegesetze aufgehoben wurden und die „Straflosigkeit“ annulliert wurde, konnte eine wahre Aufarbeitung erreicht werden. Das ist nicht nur eine Angelegenheit der Völker Lateinamerikas. Auch die bürgerlichen Demokratien Europas sollten sich noch heute fragen, inwieweit durch eine in den Zusammenhang der Ost-West-Auseinandersetzung eingebettete wohlwollende Haltung gegenüber den Diktaturen Lateinamerikas durch Regierungen Westeuropas, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, das Morden in Lateinamerika gefördert wurde.
– So wird eine von den Diktaturen und ihren Hintermännern nördlich des Rio Grande bereits vor 40 Jahren angewandte Methode – die „gezielten Tötungen“ – verstärkt in unserer Zeit praktiziert. Diese Methode wurde angewandt bei der Ermordung des Allende-treuen chilenischen Generals Carlos Pratts im September 1974 in Buenos Aires, am 24. Mai 1981 bei der Ermordung des Präsidenten Ecuadors, Jaime Roldos und zwei Monate später bei der Ermordung des Präsidenten Panamas, Omar Torrijos, am 31. Juni 1981 34.
– Wie sind die Völker Lateinamerikas mit diesen Tragödien umgegangen? Militärdiktaturen und Militärregierungen gehören zur traumatischen Erfahrung vieler Generationen in fast allen Ländern dieser Region. In Lateinamerika haben nur in elf Ländern „Comisiones de Verdad“ (Wahrheitskommissionen) gearbeitet. In wenigen Ländern sind solche Ergebnisse erreicht worden wie in Argentinien, wo etwa 1.000 Militärs der Prozess gemacht wurde.
– In dieser Arbeit wurden gesicherte Daten zu Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Mit Zahlen kann man die Verbrechen nur unzureichend beschreiben. Die Repression umfasste auch die Aufhebung bürgerlicher Rechte, das Verbot der politischen Betätigung, das Verbot von Parteien und Organisation, Isolierung, Angst, sexuelle Gewalt und andere Repressalien.
– Aktualisierte Fassung eines Vortrages aus Heft 181 der Pankower Vorträge der „Hellen Panke“ vom 22/23. Juni.
Anmerkung zum Autor: Dr. Winfried Hansch ist Autor zahlreicher Studien zu Lateinamerika, speziell zu Argentinien, Mexiko und Beziehungen USA – Lateinamerika. Er war elf Jahre im Diplomatischen Dienst der DDR in Argentinien (1977 – 1982) und Mexiko (1985 – 1990) tätig. Seit 2007 ist er Vorsitzender der Alexander- von- Humboldt- Gesellschaft
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– In der letzten Zeit haben sich weltweit wichtige Ereignisse in der Geopolitik vollzogen, die Analytiker und Intellektuelle in aller Welt veranlasst haben, über das Vorhandensein einer neuen Weltordnung und eine unmittelbar bevorstehende Veränderung in der globalen Geostrategie nachzudenken. Verschiedene angeführte Gründe untermauern diese Theorie.
– Die bestechendsten Begründungen sind dabei die Schwächung der hegemonialen Stellung der USA, die alternativen Integrationsmechanismen, mit denenLateinamerika und die Karibik ihre gemeinsame Haltung und Politik gegenüber der Welt gestärkt haben, die Öffnung hin zu einer multipolaren Welt sowie die strategische Union Russland–China als grundlegendes Element für einen veränderten Verlauf der globalen Entwicklung.
– Zu analysierende Elemente und Variablen gibt es viele, und um eine systematische Untersuchung vorzunehmen, werde ich mir die wichtigsten heraussuchen, also diejenigen, die es gestatten, auf didaktische Weise die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Realität der Welt zu entziffern. Damit ist ein Studienobjekt par excellence auf dem Gebiet der Politikwissenschaften und der internationalen Beziehungen gegeben.
– Der Niedergang des sogenannten nordamerikanischen Imperiums, das fälschlicherweise „der Westen” genannt wird, ohne dass die anderen Regionen in der Zone in Betracht gezogen werden, die ebenfalls dieser Sphäre angehören, und der Aufbruch der Völker an der Seite progressiver Anführer haben zu einem Bruch traditioneller Herrschaftsdogmen geführt (unter anderem die „offenkundige Bestimmung“1, die Monroe-Doktrin und der Washingtoner Konsens).
– Und sie haben die Welt dazu gebracht, sich strategisch gegen die Ausgrenzung, gegen die Armut, gegen die Ausplünderung der Naturreichtümer, für die Verteidigung der Souveränität und Selbstbestimmung, für die Achtung der Asymmetrien und für eine Zusammenarbeit unter humanistischen Voraussetzungen mittels der Öffnung hin zu einer multipolaren Welt zu vereinen, die es gestattet, alle Angriffe und die Missachtung zu überwinden, denen uns die unterworfen haben, die zu Unrecht „Erste Welt” genannt werden.
– China und Russland als strategische Länder haben zu der Entwicklung von Technologien, Infrastruktur, Bildung, Ernährung und Kultur in unseren Regionen viele Elemente beigesteuert, die einen bemerkenswerten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Fortschritt erlaubt haben. Dabei ist die Zusammenarbeit nicht den Bedingungen des Verlustes der Souveränität unterworfen, sondern die Beziehungen entfalten sich zum gegenseitigen Vorteil. Dieser kommt der Mehrheit zugute, respektiert die Asymmetrien und wirkt für einen Fortschritt für die Nationen, die von einigen Analytikern despektierlich „Peripherie” genannt werden.
– Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt nun die Abwicklung des Handelsaustausches zwischen der Russischen Föderation (russische Zentralbank) und der Volksrepublik China (chinesische Volksbank) in Rubel und Yuan, womit auf dem vom US-Dollar beherrschten internationalen Markt aufgrund der ungünstigen Aspekte, die dieses Bündnis für das bisherige Devisenbollwerk mit sich bringen könnte, Spannungen hervorgerufen werden.
– Die wirtschaftliche und politische Logik führt zu der Vorhersage, dass sich bei einer Konsolidierung dieser bedeutsamen Aktion die Unabhängigkeit des US-Dollars verringern wird. Zudem wird der Yuan zu einer Stärkung für die Brics-Staaten und lässt ein Szenarium sichtbar werden, wo diese Währung zur Reservewährung Südostasiens werden könnte. Präsident Putin sagte hierzu: „Die Zahlungen in Rubel und Yuan sind sehr vielversprechend. Das bedeutet, dass sich objektiv der Einfluss des Dollar auf dem Gebiet des Energiewesens weltweit verringern wird. Das wäre nicht schlecht, weder für die Weltwirtschaft noch für die Finanzwelt, noch für den Weltenergiemarkt.”
– Andere strategische Kernpunkte der chinesisch-russischen Allianz sind unter anderem die Zusammenarbeit in der Euroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Zusammenarbeit innerhalb des Wirtschaftsgürtels „Seidenstraße”, die gemeinsame Nutzung des russischen Navigationssystems Glonass und des chinesischen Gegenstücks Beidou, die Altai-Gasleitung sowie das Eisenbahnprojekt Moskau–Kasan (nach Angaben von Telesur).
– Unter diesem Aspekt muss man die ständigen Angriffe der USA gegen Russland und die mit ihm verbündeten Länder sehen, da diese Zusammenarbeit eine Bedrohung für die maßlosen Bestrebungen der USA darstellen. Eine der spürbarsten sind die von Barack Obama verkündeten Sanktionen, die das Verbot „neuer Investitionen von US-Bürgern auf der Krimhalbinsel sowie den Import von Gütern, Dienstleistungen und Technologien von der Krim in die USA” beinhalten. Dagegen hat China seinerseits der russischen Nation nötigen wirtschaftlichen Beistand angeboten, um den Rubel zu stabilisieren und gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um aus dem Yuan eine Weltreservewährung zu machen.
– Die Beziehungen China–Lateinamerika haben eine grundlegende Rolle bei den weltweiten Veränderungen der Geopolitik gespielt. Präsident Xi Jinping absolvierte im Juli 2014 offizielle Besuche in Venezuela, Brasilien, Kuba und Argentinien und kündigte für den 18. Mai des laufenden Jahres einen Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Kegiang an, dessen Reise die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem „asiatischen Riesen” und Lateinamerika zum Ziel hat. Bedeutsam sind auch die Konsolidierung des Wirtschaftsforums China–Celac und die exzellenten Beziehungen, die dieses asiatische Land mit unserer Region unterhält, wobei die fruchtbringenden Beziehungen der Bolivarischen Republik Venezuela mit der asiatischen Nation besonders ins Auge springen.
– In Bezug auf Russland ist die Förderung der bilateralen Beziehungen mit unserer Region eine Tatsache, wobei seit Amtsantritt von Präsident Hugo Chávez ein brüderlicher Umgang miteinander vorherrscht, der auch unter der gegenwärtigen Präsidentschaft von Nicolás Maduro fortgesetzt wird. Weitere Beispiele sind der Besuch der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández im Kreml, in dessen Verlauf ein „integrales strategischen Abkommen” zwischen den beiden Nationen erzielt wurde.
– Außerdem weilte der russische Außenminister Sergej Lawrow in mehreren lateinamerikanischen Ländern, darunter Kuba, Nicaragua, Kolumbien und Guatemala, wo er an der Außenministerkonferenz des Mittelamerikanischen Integrationssystems (Sica) mit dem Ziel teilnahm, „die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedsländer zu fördern”. Auch muss die Einrichtung des russischen „Nationalkomitees für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern Lateinamerikas” als eines der Instrumente für die Festigung der Wirtschaftsbeziehungen in der Region hervorgehoben werden.
– Anmerkung der Redaktion: Die „Manifest Destiny” besagt, dass die USA einen göttlichen Auftrag zur Expansion hätten, „die offenkundige Bestimmung der Nation, sich auszubreiten und den gesamten Kontinent in Besitz zu nehmen” (John L. O’Sullivan)
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