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Deutschland
Jagd auf Flüchtlinge in Bautzen: Seit Wochen hochgeschaukelt
In der sächsischen Stadt Bautzen kehrt auch am Donnerstag keine Ruhe ein. In der ostsächsischen Kreisstadt mit knapp 40.000 Einwohnern versammelten sich gestern erneut Hunderte Personen auf dem zentralen Kornmarkt.
Die Polizei sprach von mindestens 350 Personen, die sich in der Gegend aufhielten. Darunter befanden sich zahlreiche Jugendliche, die sich anhand ihres Äußeren als Rechtsradikale zu erkennen gaben.
Nach den Vorfällen von Mittwoch hatte sich gestern außerdem eine kleine Gruppe von Demonstranten angekündigt, die ihre Solidariät mit den Flüchtlingen demonstrieren wollten. Zudem hatte die örtliche SPD eine Kundgebung auf dem Platz angemeldet. Die geplante Demonstration konnte zunächst allerdings nicht stattfinden, weil die Polizei die auf dem Platz versammelten Personen als zu gefährlich einschätzte.
Als die kleine Gruppe von höchstens 50 Personen schließlich auf den Kornmarkt kam, wurde sie aus der Menge beschimpft und mit Flaschen beworfen. Der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek sprach von einer „sehr, sehr aggressiven Stimmung“. Am Rande der Demonstration griffen Rechtsextremisten auch Fotografen und Kameraleute an.
Für Freitag und Sonntag waren laut sächsischer Polizei zunächst neue Demonstrationen rechter Gruppen in Bautzen angekündigt. Dort hatten Jugendliche am Mittwoch eine Gruppe von Flüchtlingen angegriffen und durch die Stadt gejagt.
Bürgermeister Alexander Ahrens gab inzwischen dem Druck rechtsradikaler Gruppen nach, mit ihnen über die aktuelle Situation zu sprechen.
„Zu einem sachlichen Gespräch bin ich immer bereit“, schrieb der parteilose Kommunalpolitiker am Freitag auf Facebook.
Er reagiert damit auf die Drohungen aus der sächsischen Rechtsszene, weitere Unruhen zu organisieren. In einer gemeinsame Erklärung von Rechtsextremisten und Neonazis aus der Nationalen Front Bautzen und dem Rechtes-kollektiv.BZ hieß es zuvor, man wolle Veränderungen erzwingen.
„Die Ruhepause ist nur vorläufig. Sollte sich die Situation nicht schnell und spürbar ändern, werden wir kurzfristig weitere Veranstaltungen in Betracht ziehen.“
Nach Auskunft des stellvertretenden Bürgermeisters Robert Böhmer hat sich die „Situation seit Wochen hochgeschaukelt“. Der Ausländeranteil im Landkreis Bautzen betrug laut Landratsamt im Februar 2016 etwa 1,3 Prozent. Die Asylsuchenden sind darin inbegriffen. Insgesamt leben demnach 1.140 Menschen im Raum Bautzen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben.
Dazu gehören auch 142 unbegleitete Kinder und Jugendliche, zumeist aus Syrien und Afghanistan. Die meisten von ihnen sind zwischen 14 und 18 Jahre alt und sind in vier verschiedenen Wohnheimen untergebracht. Nach Angaben der sächsischen Polizei sollen die Jugendlichen, die sich regelmäßig auf dem Kornmarkt treffen, aus dieser Gruppe stammen.
Über den Ablauf der Ereignisse existieren widersprüchliche Aussagen. Tatsächlich kam es bereits in den letzten Tagen und Wochen immer wieder zu Konflikten am Kornmarkt. Zuletzt soll es am Montag zu Wortgefechten und Rangeleien zwischen betrunkenen Jugendlichen gekommen sein. Am Mittwoch hatten sich in Sozialen Netzwerken mehrere Gruppen aus Ostsachsen verabredet.
Bautzen erlangte inzwischen eine gewisse Bekannheit für seine aggressive fremdenfeindliche und rassistische Szene. Erst im Februar zündeten Unbekannte die geplante Asylunterkunft Husarenhof an. Ab Mitte März sollten im ehemaligen Hotel Husarenhof sowie in einem benachbarten Bürohaus in Bautzen bis zu 300 Flüchtlinge untergebracht werden.
Zwar ist die Tat bis heute nicht aufgeklärt. Bürgermeister Alexander Ahrens wollte aber einen fremdenfeindlichen Hintergrund für diese Tat nicht auszuschließen. Am Morgen nach der Brandstiftung sagte er:
„Ich bin schockiert, dass so etwas in Bautzen möglich ist. In den letzten Monaten wurde die Diskussion um die Unterbringung von Asylbewerbern fast ausnahmslos sachlich geführt. Was hier und heute geschehen ist, macht mich sehr wütend.“
Dabei bezog er sich besonders auf den Umstand, dass die Feuerwehr von Schaulustigen verbal attackiert und teilweise sogar an ihrer Arbeit gehindert wurde.