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Syrien: Regierungsarmee schließt Ring um Aleppo – Türkei schraubt Unterstützung für Rebellen zurück
Besonders unter Druck stehen die östlichen Viertel der Stadt. Dort kam es in den letzten zehn Tagen zu heftigen Zusammenstößen. Das FSA-nahe Rebellenbündnis Fatah Halep („Eroberung Aleppos“) ist bei ihrem Versuch gescheitert, Regierungstruppen und pro-iranische Schiiten-Milizen aus den Mallah-Farmen zurückzudrängen. Die syrische Armee konsolidierte in den letzten Tagen erfolgreich ihren Belagerungsring um die Stadt.
Die Regierungstruppen hatten seit zwei Jahren versucht, die Mallah-Farmen einzunehmen. Umfassende russische Luftunterstützung machte nun ein Vorrücken auf das hart umkämpfte Gebiet möglich, welches unweit der einzig verbliebenen Rebellen-Versorgungsroute liegt. Al-Assad-treue Truppen rückten erstmalig am 7. Juli auf die Mallah-Farmen vor. Diese liegen in unmittelbarer Nähe zur Castillo-Straße. Analysten sprechen von nicht mehr als einem Kilometer Luftlinie. Die Einnahme der Farmen ermöglicht den Regierungstruppen, über ihre überlegene Feuerkraft die Versorgungsroute effektiv unter Feuer zu nehmen, was die Rebellen innerhalb der Stadt logistisch von Außen abschneidet.
Eine Gegenoffensive der turkmenisch geprägten FSA-Miliz Nureddin Zenki und der Al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front mit dem Ziel, den Ring aufzusprengen, war zum Scheitern verurteilt.
Der Vorsitzende der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass die syrische Armee die Castillo-Straße komplett blockiert. „Die Stadt wird nun komplett belagert“, sagte er. Die Kämpfe konzentrieren mittlerweile auf die östlichen Viertel der Stadt, wo Rebellen und regierungstreue Truppen einander heftige Straßenkämpfe liefern.
Ein Kämpfer der FSA-Gruppierungen „Revolutionäre von Aleppo“ gab an, Aleppo sei nun „zu 100 Prozent belagert. Die Armee errichtete Sandsack-Barrieren auf dieser Straße.“
Die Milizen in Aleppo sind zudem über die richtige Herangehensweise in Anbetracht dieser Lage uneinig. Die mächtigste Rebellenmiliz in der Region, Ahrar al-Scham, nahm an der Gegenoffensive in Castillo nicht teil. Der Syrien-Experte Enab Baladi zitierte Quellen aus dem inneren Kreis von Ahrar al-Scham, die dies bestätigten. Demnach lehnte die Organisation eine Teilnahme an dem letzten Gegenangriff wegen „Disputen über den militärischen Plan“ ab. Ahrar al-Scham kritisierte insbesondere das FSA-nahe Rebellenbündnis Fatah Halep für dessen aus ihrer Sicht „unausgegorene Gegenstrategie“.
Die Informationsquellen gaben an, Ahrar al-Scham wies den Aktionsplan von Fatah Halep zurück, weil dieser eine „lange und dünne Front eröffnen“ und so die Aufständischen zu „leichten Ziele für Luftschläge“ machen würde. „Der Angriff, der am vergangenen Mittwoch bis zum Morgengrauen andauerte, war auf Kämpfer der Nureddin Zenki-Bewegung und anderer FSA-Gruppen beschränkt.“
Der in Berlin ansässige Direktor des al-Assad-kritischen Portals Syrienwar, Ömer Özkizilcik, sagte im Gespräch mit RT Deutsch, dass ein Aufbruch des Kessels unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum möglich erscheint. Die syrische Armee sei Dank der russischen Luftwaffe und der Verwerfungen zwischen Fatah Halep und dem von Ahrar al-Scham angeführten Rebellenbündnis Dschaisch il-Fatah klar im Vorteil. „Dennoch geben sich die Rebellen innerhalb der Stadt, in der laut UN-Berichten bis zu 300.000 Zivilisten leben, resilient. Sie graben Tunnel, um alternative Versorgungsrouten zu etablieren, die nicht bombardiert werden können“, fügte er hinzu. Sollten sich Fatah Halep und Dschaisch il-Fatah, dem auch die al-Nusra-Front angehört, auf ein neues Kooperationsverhältnis in Aleppo einigen, könnten sich neue militärische Optionen für die Rebellen in Aleppo ergeben, schloss Özkizilcik ab.
Anders als in der Vergangenheit scheint auch die Türkei, die Aleppo als historisches Einflussgebiet betrachtet, ihre Unterstützung für die Rebellen in der Stadt heruntergeschraubt zu haben. Im Gespräch mit RT Deutsch sagte der Syrien-Analyst Haid Haid:
„Ich erwarte keine aggressive Reaktion von der Türkei, wenn es um die Stadt Aleppo geht. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass Ankara diese Frage auf dem Verhandlungstisch gegenüber Russland thematisieren wird. Wir müssen abwarten und schauen, worauf sich beide Seiten einigen.“