UN-Sonderberater und Ökonom Jeffrey Sachs: „Hillary Clinton ist eine Gefahr für den Weltfrieden“
Der ehemalige IWF-Berater Jeffrey Sachs kennt die Außenpolitik seines Landes wie kaum ein anderer. In den 1990er Jahren beteiligte er sich maßgeblich daran, im Auftrag des IWF die wirtschaftlichen Strukturen in Russland und Jugoslawien zu zerstören. Spätestens jedoch seit der Schuldenkrise in Griechenland tritt der Harvard-Professor als Kritiker seiner vormals selbst praktizierten neoliberalen Rezepte auf. Und er kritisiert immer wieder die US-amerikanische Außenpolitik, besonders die Politik des Regime-Change in Syrien.
Dieses Thema bietet auch den Anlass für seine aktuelle Wortmeldung. In der Debatte zwischen den US-amerikanischen Kandidaten für die Präsidentschaft in Milwaukee behauptete Hillary Clinton, sie habe einen Beitrag für eine Waffenruhe im Syrienkrieg geleistet. „Sie wissen, der Sicherheitsrat verabschiedete eine Resolution. Im Kern ist dies eine Vereinbarung, die ich im Juni 2012 in Genf ausgehandelt habe“, behauptete die ehemalige Außenministerin.
Für Jeffrey Sachs handelt es sich dabei um eine Lüge: „Es ist diese Art von zwanghaften Falschdarstellungen, die Clinton ungeeignet macht für das Präsidentenamt.“ Clintons Rolle in Syrien, so Jeffrey Sachs, habe darin bestanden, den Konflikt erst anzustiften und „das syrische Blutbad“ dann zu verlängern.
Im Jahr 2012 sei Hillary Clinton das zentrale Hindernis gewesen, als es darum ging, eine Lösung zu finden, erinnert sich Sachs. Er arbeitete damals als Berater für die Vereinten Nationen. Damals versuchte Kofi Annan eine Waffenruhe auszuhandel. Laut Jeffrey Sachs war es die Unnachgiebigkeit der USA, konkret: Clintons Unnachgiebigkeit, die zum Scheitern von Annans Friedensbemühungen führte. Dieser Punkt sei unter Diplomaten allgemein bekannt.
Im Gegensatz zu dem, was Hillary Clinton heute behauptet, gab es im Jahre 2012 keine Waffenruhe, sondern nur ein „eskalierendes Blutbad“. Die Bewertung von Jeffrey Sachs lautet: „Clinton trägt eine große Verantwortung für dieses Blutbad, das mittlerweile mehr als zehn Millionen Syrer vertrieben, und mehr als 250.000 Tote hinterlassen hat.“
Um seine Anschuldigung zu untermauern, ruft der ehemalige UN-Berater noch einmal die Hintergründe des Konfliktes in Erinnerung. „Jeder versteht, dass es im Syrienkrieg nicht hauptsächlich um Baschar al-Assad, oder auch nur um Syrien selbst geht. Es ist vor allem ein Stellvertreterkrieg gegen den Iran.“ Saudi-Arabien und die Türkei, die führenden sunnitischen Mächte im Nahen Osten, sehen Iran, die führende schiitische Macht, als regionalen Rivalen um Macht und Einfluss.
So habe Hillary Clinton noch im Jahr 2010 zusammen mit Saudi-Arabien, der Türkei und „rechtsgerichteten Israelis“ versucht, die syrische Regierung aus dem „schiitischen Block“ herauszulösen. Im Jahr 2010 unterstützte sie geheime Verhandlungen zwischen Israel und Syrien, um das Land dem Einfluss des Iran zu entreißen. Als diese Gespräche scheiterten, verlegten sich die CIA und Hillary Clinton auf den Plan B, Präsident Assad zu stürzen.
Die CIA und das anti-iranische Bündnis sahen in den Unruhen des Arabischen Frühlings vor allem die Chance, Assad schnell zu stürzen und damit einen geopolitischen Sieg einzufahren. Deshalb, erinnert sich Jeffrey Sachs, wurde Clinton zur führenden Verfechterin bei den Bemühungen der CIA, einen Regimewechsel in Syrien herbeizuführen.
„Anfang 2011 nutzten die Türkei und Saudi-Arabien lokalen Proteste gegen Assad, um zu versuchen, die Bedingungen für seinen Sturz zu schaffen. Ab Frühjahr 2011 bereiteten die CIA und die US-Verbündeten einen bewaffneten Aufstand gegen das Regime vor. Am 18. August 2011 hat die US-Regierung ihre Position öffentlich verkündet: ‘Assad muss gehen.‘“
Seitdem und bis hin zum jüngsten, zerbrechlichen Abkommen im UN-Sicherheitsrat, haben die USA sich geweigert, einer Waffenruhe zuzustimmen, es sei denn, Präsident Assad wird zunächst abgesetzt. Die offizielle Linie der US-Politik, auch unter Clinton, bestand darin, erst einen Regime-Change zu erreichen und dann erst einem Waffenstillstand zuzustimmen. „Schließlich sind es nur Syrer, die sterben“, kommentiert Sachs diese Haltung.
Die Friedensbemühungen von Kofi Annan wurden von den Vereinigten Staaten mit „unbeugsamer Beharrlichkeit“ hintertrieben, da einem Waffenstillstand ein von den USA angeführter Regimewechsel vorausgehen, oder er ihn zumindest begleiten sollte. Die Vereinten Nationen stellten im August 2012 fest:
„Die US-Forderung, dass Assad zurücktreten muss und Sanktionen zu verhängen sind, bevor ernsthafte Verhandlungen begonnen werden können, führte, zusammen mit der Weigerung den Iran in den Prozess einzubeziehen, zum Scheitern von [Annans] Mission.“
Hillary Clinton ist in der syrischen Krise kein kleines Licht gewesen. Ihr Diplomat, der Botschafter in Libyen, Christopher Stevens, leitete eine CIA-Operation, um schwere Waffen aus Libyen nach Syrien zu schicken. Clinton selbst übernahm eine Hauptrolle dabei, die sogenannten „Freunde Syriens“ zusammenzubringen, welche die von der CIA geführte Aufstandsbewegung unterstützen.
„Die US-Politik war ein einziges massives, schreckliches Versagen“, bilanziert Jeffrey Sachs aus heutiger Sicht. Präsident Assad trat nicht zurück. Stattdessen schickte die Russische Föderation militärische Unterstützung, ebenso wie der Iran. Die Söldner, die der Westen in das Land schickte, um die Regierung zu stürzen, waren radikale Dschihadisten mit ihrer eigenen Agenda. Das Chaos machte den Weg frei für den „Islamischen Staat“. Dessen Aktivisten rekrutierten sich aus unzufriedenen irakischen Offizieren, die im Jahr 2003 von den USA abgesetzt worden waren. Sie bekamen von den USA die Waffen und erhebliche Unterstützung aus saudischen Geldmitteln.
„Wenn die Wahrheit darüber vollständig bekannt wäre, würde das sicher den Watergate-Skandal in den Schatten stellen, was die Auswirkungen auf die Grundlagen des US-Establishments betrifft.“
„Die Hybris der Vereinigten Staaten scheint bei dieser Politik keine Grenzen zu kennen“, fürchtet der Harvard Ökonom. Er geht davon aus, dass das Mittel eines „von CIA ausgeführten Regimewechsels“ so fest als normales Instrument der US-Außenpolitik etabliert ist, dass es von der US-Öffentlichkeit oder den Medien kaum noch wahrgenommen wird. Andere Regierungen zu stürzen widerspricht zwar der UN-Charta und dem Völkerrecht. „Aber was sollen solche Feinheiten unter Freunden?“, beschreibt Sachs die in den USA verbreitete Haltung gegenüber einem Bruch des Völkerrechts.
Jeffrey Sachs erinnert in seinem Beitrag noch einmal daran, dass der Staatsstreich in allen Fällen mit einem Bürgerkrieg endete, also, was die US-Ziele betrifft, langfristig sogar ein gescheitertes Instrument ist. Von einem zukünftigen Präsidenten, argumentiert Sachs, verlangt es viel Führungskraft, die CIA daran zu hindern, politische Katastrophen herbeizuführen. Normalerweise versuchen die Präsidenten, „Missgeschicken zu entgehen“, indem sie mit den privaten „Auftragnehmern“, den Generälen und den CIA-Agenten Händchen halten. Dadurch schützen sie sich vor politischen Angriffen aus dem Lager der rechten Hardliner.
Hillary Clinton, glaubt Sachs, hat noch nie „einen Jota Tapferkeit“ bewiesen. Sie hat sich als „unnachgiebiger Fan der CIA“ erwiesen und wirkliche Zähigkeit nur darin gezeigt, jede noch so fehlgeleitete Operationen zu bejubeln. „Hillary Clinton ist eine Gefahr für den Weltfrieden“, schließt Sachs und fordert abschließend:
„Sie hat in Bezug auf die Katastrophe in Syrien viele Fragen zu beantworten.“