Archiv für November 9, 2015

https://deutsch.rt.com/international/35496-israels-grenzen–fur-palastinenser/

Israel verschiebt weiter Grenzen – Die der Pressefreiheit
-Der israelisch-palästinensische Konflikt ist längst zum Dauerzustand geworden. Ins Fadenkreuz israelischer Sicherheitskräfte gelangen dabei auch immer häufiger Journalisten und Reporter. Die Übergriffe der israelischen Armee gegen Medienvertreter sind konstant, schaffen es aber nur selten in die westliche Presse.

Ein Gastbeitrag von Florian Osrainik

-Grenzen sind flexibel, auch im Westjordanland. Dort in der Regel aber nur in eine Richtung. Das bringt die Palästinenser seit Jahrzehnten auf die Straße und den Nahost-Konflikt regelmäßig in die Öffentlichkeit. Junge Palästinenser – die Arbeitslosenquote bei 20 bis 24-Jährigen liegt bei knapp 42 Prozent – werden dabei schnell gewalttätig, sie greifen zu Steinen, zünden Reifen an oder gehen irgendwie auf israelische Beamte los. Da kann es in der Hitze des Gefechts schon Mal vorkommen, dass der eine oder andere Grenzschützer, den Staat im Rücken, die Nerven verliert und einfach auf alle, auch auf Journalisten, losgeht – oder?

Angriffe auf die Presse

-Nein, das Vorgehen der israelischen Armee gegen internationale und besonders palästinensische Medienvertreter ist konstant, schafft es aber nur selten in die westliche Presse. „Übergriffe der Armee gegen palästinensische und ausländische Journalisten in den Palästinensergebieten sind häufig und bleiben fast immer straflos“, stellt Reporter ohne Grenzen fest. Die Organisation steht sonst der US-Außenpolitik nahe und kann Milliardäre wie George Sorros und Serge Dassault, den Medienkonzern Vivendi oder die Werbeagentur Saatchi & Saatchi (CEO, Kevin Roberts: „der Krieg gegen den Terror sollte als Krieg für eine bessere Welt dargestellt werden“) zu ihren Unterstützern zählen.

-Und auch in der Berichterstattung über die letzten Zusammenstöße im Westjordanland wurden Journalisten wieder zur Zielscheibe. Israelische Grenzschützer jagen, schlagen oder attackieren Journalisten. Berichterstatter müssen vor Ort mit allem rechnen: Tränengas, Schockgranaten, Haft oder dem Tod. Es hilft auch nichts, wenn dick  „Presse“ auf der Kleidung geschrieben steht.

Aktuelle Beispiele:

-Am 06. Oktober 2015 wurde eine freie Journalistin und Rechercheurin von Human Rights Watch bei einer Demonstration im besetzten Westjordanland erschossen – trotz Jacke mit dem Hinweis „Presse“  Am 27. Oktober 2015 wurde eine Mitarbeiterin der israelischen Menschenrechtsorganisation B`Tselem mit einer gummibeschichteten Metallkugel beschossen und verletzt, als sie über eine Demonstration jugendlicher Palästinenser in Hebron berichtete. Am 03. und 04. November 2015 berichten die iranische Nachrichtenagentur Press TV und die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass die israelische Armee den arabischsprachigen Radiosender „Free Palestine Radio“ in Hebron überfallen und die Technik beschlagnahmt hat und RT Deutsch zeigt in einem Video, wie ein Journalist mit Pfefferspray angegriffen, geschlagen und abgeführt wird.

Die dummen Journalisten

-Im Juni 2015 veröffentlichte das israelische Außenministerium ein selbst produziertes Propaganda-Video, um die Berichterstattung des letzten Gaza-Kriegs ins Visier zu nehmen. In einem 49 Sekunden langen Zeichentrickfilm wird ein Reporter in Gaza gezeigt, der die Realität nicht erkennt und von einem ruhigen Leben der Menschen vor Ort berichtet, während Hamas-Kämpfer im Hintergrund Raketen auf Israel abfeuern und in Tunneln Angriffe vorbereiten.

-Die Mitteilung: ausländische Journalisten wissen nicht, wovon sie berichten. Die israelische Regierung macht mit dem Video ihre Meinung über ausländische Journalisten unmissverständlich klar. Laut einem Sprecher des israelischen Außenministeriums ziele man darauf ab, „offenzulegen mit welcher Ironie Gaza dargestellt wird”. Der Trickfilm sei aber nicht als Beleidigung ausländischer Journalisten zu verstehen, was die „Foreign Press Association“ anders sah und das Video der israelischen Regierung verurteilte.

Die Grenzen der Palästinenser-Wirtschaft

-Die Eingrenzung der Bewegungs- und wirtschaftlichen Freiheit der Palästinenser wird als Hintergrund für palästinensische Attacken oft ignoriert. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH sagt über die Lage in den besetzten Gebieten:

„In den Jahren der vollständigen israelischen Besatzung ist die palästinensische Wirtschaft ein reiner Zulieferbetrieb für Israel, eine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gibt es nicht. Auch nach der Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde blieb die wirtschaftliche Entwicklung von Israel abhängig. Bis heute sind alle Exporte und Importe von der Zustimmung und Genehmigung der israelischen Behörden abhängig.“

-Und Israel trägt zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation weiter bei: palästinensische Steuern und Zölle von rund 125 Millionen Dollar pro Monat – ungefähr zwei Drittel der inländischen Einnahmen der Palästinensischen Behörde –, werden von Israel eingesammelt und einbehalten. Eine Reaktion Israels auf das palästinensische Beitrittsgesuch zum Internationalen Strafgerichtshof. Einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Palästina stehen „die existierenden Einschränkungen des Personen- und Güterverkehrs, die Abriegelung der Gebiete nach außen, die Behinderung von Ex- und Import, Zerstörung der palästinensischen Infrastruktur sowie Inbesitznahme von palästinensischem Land für den (Aus-)Bau israelischer Siedlungen“ entgegen. Das schreibt die GIZ, eine staatliche Organisation zur Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Journalist und die Schuldfrage

-Der israelische Journalist Gideon Levy kommentierte die neue Welle der Gewalt am 09. Oktober 2015 in der Tageszeitung Haaretz:

„Israel hat kein begründetes Argument mehr in seinem Arsenal, das ein anständiger Mensch akzeptieren könnte. Selbst Mahatma Gandhi würde verstehen, warum Palästinenser zur Gewalt greifen. Selbst jene, die vor Gewalt zurückschrecken, die sie für unmoralisch und zwecklos halten, werden verstehen müssen, warum sie hin und wieder ausbricht. Die Frage ist doch, warum bricht sie nicht viel öfter aus? (…) Nicht, dass die Palästinenser ohne Schuld wären, aber Israel trägt die Hauptschuld.“

-Weiter schreibt Levy, dass Israel, ohne sich seiner Schuld zu entledigen, keinen Grund hat, von den Palästinensern irgendetwas zu fordern. Alles andere sei „verlogene Propaganda“. Levy über das Vorgehen Israels:

„Es dachte, Soldaten könnten fast jede Woche einen kleinen Jungen oder Teenager umbringen – und die Palästinenser würden stillhalten. Es dachte, militärische und politische Führer könnten diese Verbrechen stützen und niemand würde strafrechtlich verfolgt werden. Es dachte, Häuser könnten abgerissen und Hirten vertrieben werden – und die Palästinenser würden es demütig hinnehmen. Es dachte, der Siedlermob könnte Schäden anrichten, Brände legen und so tun, als gehöre ihm das Eigentum der Palästinenser – und die Palästinenser würden es gebeugten Hauptes ertragen. Israel dachte, seine Soldaten könnten jede Nacht palästinensische Häuser stürmen und die Bewohner terrorisieren, demütigen und verhaften. Es dachte, Hunderte könnten ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden; der Sicherheitsdienst Shin Bet könnte Verdächtigte mit Methoden foltern, die direkt aus der Hölle kommen; Israel dachte, es könnte Hungerstreikende und befreite Gefangene grundlos wieder verhaften, alle zwei oder drei Jahre Gaza zerstören – und Gaza würde sich ergeben und die Westbank ruhig bleiben (…) Das ist der Hintergrund – wenn junge Leute Siedler töten, Brandbomben auf Soldaten werfen und Steine auf Israelis. Man braucht schon ein hohes Maß an Abgestumpftheit, Ignoranz, Nationalismus und Arroganz – oder alles gleichzeitig –, um dies zu ignorieren.“

-Im Westjordanland verschieben sich die Grenzen, auch die der Pressefreiheit, weiter einseitig. Es gilt einzig das Faustrecht – für Grenzbeamte, Palästinenser und Journalisten.

Die fabelhaft freie Welt des deutschen Leitmedienjournalismus
Verschiedene Nachrichtenmagazine mit dem Top-Thema Putin
Verschiedene Nachrichtenmagazine mit dem Top-Thema Putin
-Die Kritik am deutschen Medienmainstream wird immer lauter. Da diese auch mit „Lügenpresse“-Rufen vom rechten Rand einhergeht, fühlen sich die kritisierten Medienmacher legitimiert, jede substantielle Kritik am eigenen Treiben als ungerechtfertigt abzutun. Gastautorin Anja Böttcher hat versucht, mit Spiegel Online via Forumsdiskussion ins Gespräch zu kommen. Da ihr Kommentar dort der Zensur zum Opfer fiel, dokumentiert RT Deutsch diesen im Wortlaut.

Ein Gastbeitrag von Anja Böttcher

-Mit dem Beginn des medialen Dauerkampfes für den neuen deutschen Militarismus im Nato-Gewand im Herbst 2013, erst recht aber mit der konzertierten Kampagne der deutschen Leitmedien gegen das „Russische Reich der Finsternis“ seit der Winterolympiade in Sotschi, geht es deutschen Presseorganen gar nicht gut: Die Foren quellen über voller geharnischter Leserposts, friedenspolitisch alternativer Journalismus blüht und ist trotz beharrlicher Versuche, ihn als „rechtspopulistisch“ zu brandmarken nicht totzukriegen. Die Verkaufszahlen der Printmedien brechen derart ein, dass ihr Fortbestand ökonomisch bedroht erscheint. Erst kürzlich forderte deshalb der scheidende Vorsitzende des Deutschen JournalistenVerbands (DJV), Michael Konken, eine steuerfinanzierte Abgabe für die darbende deutsche Presse nach dem Muster der GEZ-Gebühr für den Öffentlichen Rundfunk.

Foto: pk210 / Flickr / CC-BY-SA-2.0

-Das paternalistische Demokratieverständnis deutscher „Eliten“ scheint es nicht als bedenklich zu empfinden, die in Foren aktiv geäußerte Leserentscheidung, durch Kaufverweigerung gegen einen eindimensionalen Mediendiskurs Zeichen zu setzen, zu konterkarieren.

-Statt aber mit dem Kunden, der nicht mehr König ist, aufrichtig ins Gespräch zu kommen, schlägt das mediale Imperium zurück und unterschlägt Kritik, die sich nicht so einfach beiseite wischen lässt. Eine Reflexion des Selbstverständnisses deutscher Journalisten und ihres Umgangs mit Leserfeedback scheint regelmäßig vonnöten zu sein.

-Der Spiegel hat es nicht leicht mit seinen Lesern: Den Vorwurf der Kriegstreiberei muss er sich seit zwei Jahren ständig anhören, ebenso wie den für einen ehemals stolzen Pfeiler der „Vierten Macht“ ausgesprochen demütigenden unbotmäßiger Regierungsnähe und einer unverhohlen subalternen Haltung gegenüber der US- und Nato-Hegemonialpolitik.

-Dagegen prallt die Leserempörung über seine komplette Immunität gegen jede Form substanzieller Kritik in der Regel von den Wächtern der Zunft nahezu komplett ab: Als aber ein Titelbild derart heftig verunglückte, dass der Widerspruch gegen den in nur wenigen Minuten zweitausendfach erfolgenden Aufschrei, hier werde in Verbindung mit dem nachfolgenden Leitartikel „Ende der Feigheit“ derart deutlich zu einem Krieg aufgerufen, nur sehr fade ausfiel, zog das Blatt seine Konsequenz: Zu sensiblen Themen wurden die Foren geschlossen. Öffnen sie dann mal wieder, erweist sich recht schnell nur die Ergebnislosigkeit des Versuchs, durch Unterbindung einer diskursiven Streitkultur über die so offensichtliche Einheitslinie diese auch wirklich beim Publikum durchzupeitschen.

Aktuelles Titelblatt des Spiegels

-Da aber ja bekanntlich die Hoffnung auf Besserung zuletzt stirbt, wäre es ja auch für Demokraten, die sich eine wirklich freie und diskursive Presse wünschen, reichlich voreingenommen, nicht immer wieder zu schauen, ob nicht doch irgendwann einmal Besserung eintritt. Nicht als Käufer – versteht sich; dafür müssten deutsche Journalisten ihre Leser erst wieder als intelligente Wesen mit einem eigenständigen Urteilsvermögen ernst nehmen. Aber Online lässt sich ja überprüfen, ob und inwiefern eine Kurskorrektur in Sicht ist.

-Und so las ich doch bei meinem täglichen Blick auf SPON mit verhaltener Neugier einen Beitrag, der sich zu signalisieren anschickte, er sei tatsächlich auch zu einer Kritik des Umgangs „westlicher“ Machtarchitekten mit der Pressefreiheit imstande:

US-REPUBLIKANER GEGEN MEDIEN: KRITISCHE FRAGEN UNERWÜNSCHT

Von Mark Pitzke, New York

-Das Ergebnis war – wie freilich zu erwarten – enttäuschend. Das Thema schien nur einen weiteren Anlass für die Deklassierung kritischer deutscher Leser zu bieten. Doch da es für den Verfasser des Artikels immerhin ein empathisch besetzter Begriff zu sein schien, hielt ich es nicht für ausgeschlossen, dass zumindest eine Darlegung, warum sein Begriff von Pressefreiheit nicht ganz dem Grundgesetz entsprach und seiner vermeintlich kritischen Haltung politische Tiefe fehlte, ihren Weg in das SPON-Forum schaffen könnte.
Aber mein Post, zweimal abgesandt, wurde nicht abgedruckt. Ob dies daran liegen kann, dass ich gegen die Netiquette verstoßen habe, mag jeder selbst beurteilen. Ich verfasste den unten stehenden Text für das Spiegel-Forum, musste ihn beim Absenden jedoch noch leicht kürzen, da hier nur 3000 Zeichen erlaubt sind:

Demokratie und Pressefreiheit

-SPON-Autor Marc Pitzke hat also entdeckt, dass die Partei der Republikaner es gar nicht gut mit der Pressefreiheit meint und zum Nachweis sogar – wie ‚investigativ‘ aber auch! – ein Papier „geleakt“, durch das der Verfasser stolz zeigen kann, dass er – gegen alle „verschwörungstheoretischen Verleumdungen“ – in einer Zeitung wie dem Spiegel sogar ein klein wenig US-kritisch sein darf, wenn’s auch nur eine derzeit eher abgeschlagene Randgruppe im Präsidenten=Wahlkampf betrifft. Oder doch nicht?

-Denn in Deutschland, das macht uns der Artikel gleichfalls unmissverständlich klar, ist ja eigentlich alles bestens bestellt – gäbe es da nicht böse Angriffe auf die Freie Deutsche Presse durch fürchterlich finstere Kräfte:

„Ähnlich wie bei der deutschen Schimpfe auf die ‚Lügenpresse‘ schießen sich auch in Amerika die Rechten plötzlich auf die Pressefreiheit und die Rolle des kritischen Journalismus ein – und wollen den Medien den Mund verbieten.“

-Alles klar: Pressekritik erfolgt ausschließlich durch rechtes Pegida-Milieu, das „Lügenpresse“ skandiert (war 68 übrigens auch der Anti-Springer Schlachtruf). Und Pressekritik von Bürgerseite (das Grundgesetz unterscheidet hier anders als der Spiegel doch tatsächlich nicht zwischen ‚guten‘ und ‚bösen‘) ist gewiss gleichzusetzen mit möglichen Eingriffen designierten Regierungsvertretern von „oben“, nicht wahr?

Sancta simplicitas: Unter einer solchen Ahnungslosigkeit in causa Grundrechten möchte ich nicht leiden müssen!

-Für Anhänger des demokratischen Rechtsstaats:
Meinungsfreiheit ist das Recht aller Bürger, öffentlich ihre Meinung kundzutun, solange sie kein strafrechtliches Vergehen impliziert (wie etwa justiziable Volksverhetzung). Und Pressefreiheit ist die Freiheit aller Bürger, die öffentliche Verbreitung dieser ihrer Meinung ohne staatliche Eingriffe betreiben zu dürfen. Sie ist keineswegs das privilegierte Vorrecht einer institutionalisierten Phalanx von spezifischen Presseorganen (die bei uns zu 70 Prozent den drei Konzernen Springer, Bertelsmann und Funke gehören), welche sich zum Zeitpunkt XY im Ensemble für „DIE Presse“ eines Landes hält und irrigerweise Meinungshoheit für sich beansprucht.

-Mit diesem Dünkel verwechseln unsere Journalisten nämlich nicht nur „Pressefreiheit“, sondern sie versuchen unbeirrbar, in gut vernetzter Kooperation mit politischen Funktionseliten und Lobbygruppen durch ein immer penetranter werdendes „Meinungsmanagement“ die Mehrheitseinstellung in einer derart aggressiven Weise zu formen, dass Demokratie ad absurdum geführt wird:
Durch die regelmäßige Lektüre von Veröffentlichungen diverser Friedensforen (German Foreign Policy, IMI, AG Friedensforchung, Seiten der DFG-VK) konnte der friedenspolitisch interessierte Leser beispielsweise erfahren, dass am 28. Oktober 2015 der Nato-Thinktank JAPCC unter Einbeziehung führender Journalisten in Essen tagte, um Strategien des „Informationskrieges“ zu beraten, mit denen vor allem in Deutschland der massive Bevölkerungswiderstand gegen extraterritoriale Kriegseinsätze im Sinne der geopolitischen Expansionsinteressen der Nato beseitigt werden soll.

-Unter auch vor allem deutscher Beteiligung hat zudem gerade die EU eigens eine Task-Force eingerichtet, die in Osteuropa die öffentliche Meinung „pro-europäisch“ beeinflussen & im „Informationskrieg“ gegen Stimmen aus Russland ‚immunisieren‘ soll. Unter die angepeilten Zuhörer fallen außer den russischsprachigen Minderheiten im Baltikum auch die Bevölkerungen der Länder der „Osteuropäischen Partnerschaft“ und der Russischen Föderation selbst. Die verheerenden Folgen einer auf Konfrontation statt Dialog fußenden Kommunikatonspolitik für die Ukrainer und das europäisch-russische Verhältnis haben offensichtlich nicht zu einem nachhaltigen Erkenntnisgewinn geführt – trotz zahlreicher anderslautender Beteuerungen deutscher Politiker in Sonntagsinterviews. Auch dass ein solcher Prägungsversuch von oben – anstelle ehrlicher Kontroversen – sich mit dem penetranten Propagieren des großartigen europäischen Demokratiesierungsprojekt=EU beißt, scheint wohl völlig egal zu sein. Demokratisch ist man anscheinend dort, wo Regierungen das Banner „westlicher Werte“ wie eine Monstranz vor sich hertragen, nicht wo man sich auf Augenhöhe mit Menschen divergierender Auffassungen offen ins Benehmen setzt.

-Vor wenigen Tagen hat dann auch noch die Bundesakademie für Sicherheit (BAKS) eine neue PR-Offensive angekündigt, bei der sie tatsächlich (zynischerweise) die Flüchtlingskrise nutzen will, um endlich beim obstinaten deutschen Publikum gehörig Bellizismus durchsetzen zu können. Das zeigt deutlich, wie wenig unsere Oberdemokraten aus den beiden führenden deutschen Volksparteien von ihrer Bevölkerung halten: Nur einem Dummkopf kann es entgehen, in welchem Ausmaß die Völkerwanderung aus dem Nahen Osten durch Nato-Interventionskriege und die systematische Zerstörung der Infrastruktur dortiger Staaten durch das US-Militär erst verursacht wurde. Anscheinend scheint die Bundesregierung dem dezisionistischen Politikverständnis des geistigen Vaters der US-Neocons, Leo Strauss, darin zu folgen, das von ihr zu diesem Zweck als nützlich erachtete und erwartete Chaos (ein Kernelement der Strauss’schen Theorie) systematisch zu nutzen, um den deutschen Demos in einen Patienten zu verwandeln, der im Delirium noch mehr von dem Gift (des Interventionskrieges) zu schlucken bereit ist, welches seine Krankheit (das Chaos) doch erst verursacht hat. Mit von der Partie bei dem schäbigen Unterfangen: Führende und transatlantisch bestens vernetzte Alpha-Journalisten des Öffentlichen Rundfunks und der Printmedien.

CNN/CIA-Karikatur. Quelle: http://therundownlive.com

-Welchen Begriff von Meinungsfreiheit und welchen von Pressefreiheit hat also Marc Pitzke, wenn er meint, die einzige Gefährdung, die in Deutschland für einen freien und pluralistischen Mediendiskurs bestünde, ginge vorrangig von Pressekritikern aus?

-Und wie US-kritisch ist der Artikel tatsächlich? Sein Verfasser, der nämlich seinen Seitenhieb als Ausweis eines unbestechlichen journalistischen Ethos herausstreicht, scheint von seiner Kühnheit überzeugt zu sein. Aber wie sieht es denn aus? Am Ende des Artikels lacht der Autor in bester Kumpanei mit US-Präsident Obama – der von dieser plump-kumpelhaften Annäherung im Artikel eines deutschen Leitmedienjournalisten natürlich nichts wissen kann – jovial über die tumben Republikaner (vermutlich Trump-Anhänger), mit denen er deutsche Pressekritiker im Geiste vereint sieht. Einen argumentativen Nachweis bietet Pritzke natürlich nicht. Darum geht es aber auch gar nicht. Nachdem sich der Verfasser doch so „kritisch“ gezeigt hat, haben sich demonstrativ Macht und Meinungsmacht hier wieder furchtbar lieb!

-So zeigt uns diese Werbung für die bundesdeutsche „Pressefreiheit“ wieder einmal, wie sehr in unserer Medienrepublik der Wurm steckt.

Demokratie geht anders!